Oliver Sonntag, Florian Galow und Gunter Hampel

Jazz in St. Petri zu Lübeck
Gunter Hampel und das Ensemble trioPLUS

Es ist, nicht nur für LiebhaberInnen des Jazz, eine außergewöhnliche Konzertreihe, zu der das St. Petri Kuratorium und das Lübecker Ensemble trioPLUS nun schon zum dritten Mal einluden.

Das trioPLUS, bestehend aus Dr. Peter Ortmann – Klavier, Florian Galow – Kontrabass und Oliver Sonntag – Schlagwerk und Percussion, muss, so denke ich, nicht weiter in Lübeck vorgestellt werden. Ihre musikalischen und spielerischen Talente und Möglichkeiten haben sie schon in vielen Formationen unter Beweis gestellt. Ortmann als Vorstand des JazzPool Lübeck e.V. holt nicht nur für das TraveJazz Festival die „Jazzlegenden“ nach Lübeck, damit sie junge Talente Neues lehren können, sondern stellt in Zusammenarbeit mit St. Petri und seiner Band einige der führenden Musiker und Wegbereiter des Jazz vor.

Das besonders Spannende an dieser Reihe besteht darin, dass die Musiker nicht mit „ihrem“ Ensemble konzertieren, sondern – mit nur wenig Vorbereitungszeit – ein Programm zusammengestellt wird, das auch Kompositionen der Lübecker Musiker miteinbezieht. Mit einem „Freigeist“ wie dem 79-jährigen Gunter Hampel wird das dann ganz besonders interessant.

Über Hampel zu referieren, ist überflüssig, hat er doch mit allen Größen der Zeiten auf der Bühne gestanden. Unbekannter ist allerdings sein Engagement, das genreübergreifend junge Talente fördert. Der Bundesverdienstkreuzträger Hampel zeigte u. a. mit der Band Jazzkantine, das auch „ältere Herren“ sehr junge Musik spielen können. Vor allem aber erarbeitet Hampel in New York und Berlin seit 2001 mit jungen TänzerInnen und MusikerInnen äußerst interessante, z. T. improvisierte Tanz-Musik-Performances.

Es herrschte eine besonnene Aufgeregtheit während der Proben zu dem anstehenden Konzert. Oliver Sonntag bedeckte die Toms seines Schlagzeuges zeitweise mit Geschirrtüchern, um den Klang zu optimieren, oder aber er bespielte die Toms und Becken mit den bloßen Händen – sehr zart und gefühlvoll, während Hampel die Flöte nur gaaanz leicht anblies, damit die Klappen einen zarten Ton hergaben. Ebenso einfühlsam spielte Galow dazu den Bass, während Ortmann die Hände leise auf die Tasten legte. Ob das während des Konzertes funktioniert? Nur der Kontrabass von Galow wurde leicht elektrisch verstärkt, dies aber nicht, um alles zu übertönen, sondern um einige besondere Soundkombinationen zu ermöglichen.

„YOU CANNOT LEARN GUNTER'S MUSIC ON ANY SCHOOL, REAL LIFE IS HIS TEACHER.” (ANTHONY BRAXTON)

Gunter Hampel, Foto (c) Peng!Gunter Hampel, Foto (c) Peng!

Das war das Thema der Unterhaltung nach den Proben. Gunter berichtete, wie er in den 60er Jahren in New York Fuß fassen wollte. Diese Erfahrungen beeinflussen seine Musik bis heute; die Aussage Mahlers, „Musik muss eine Seele haben“, trifft auf die Musik von Hampel unbeschränkt zu, sieht er doch Bilder im Inneren, die er in Klänge umwandelt. Um den Lebensunterhalt zu verdienen, spielte er häufig auf den Straßen New Yorks. Die Erlebnisse und Erfahrungen setzte er in seinem Spiel um. Dieses Können führte ihn schon sehr früh zu Lionel Hampton und Milt Jackson, die als Erste das Vibraphon im Jazz einsetzten und sich des jungen Talentes annahmen. Die Lektionen, die Hampel von den genialen Musikern lernte, will er auch an junge Talente vermitteln.

Der seltene Sound Milt Jacksons begeisterte Hampel sehr. Jackson spielt mit sehr weichen Mallets – Hampel wickelt sich seine Mallets mittlerweile selbst, und beide spielen mit sehr langsamem Vibrato, wofür das Vibraphon modifiziert wird. Damit der wirklich geniale Sound auch in Lübeck erklingen kann, stellte der Lübecker Musiker Christian Wolff seine alte „Deagan-Vibraharp“ zur Verfügung, ein in Europa mittlerweile seltenes Instrument. Während sich die Reihen füllten, es waren nur einige, wenige Plätze noch frei, spielte Hampel sich in der Umkleide warm. Vor Beginn des Konzertes schon, das von Peter Ortmann anmoderiert wurde, filmte Hampel alles auf Video. Alle seine Konzerte schneidet er schon seit geraumer Zeit mit, und sie sind bei ihm über seine Website erhältlich.

Das Konzert begann im ersten Set mit der Komposition Ruby´s Loop von Peter Ortmann. Drei Kompositionen Hampels vervollständigten den Set. Hampel wechselte die Instrumente von Stück zu Stück, wobei er auch in die Röhren des Vibraphons blies. Das äußerst disziplinierte Publikum wagte bei den leisen Passagen kaum einen Atemzug – die Spannung war ungemein hoch. Während des vorletzten Stückes Lush, komponiert von Hampel, riss die Aufhängung einiger Platten des Vibraphons, was den Meister allerdings kaum störte. Smiling Energy II wurde dennoch gespielt, bevor es in die Pause ging. Zum Glück hatte Christian Wolff einiges an Material zur Reparatur in weiser Voraussicht mit eingepackt, so dass er das Vibraphon während der Pause richten konnte.

Gunter Hampel bläst die Röhren des Vibraphons, Foto: Peng!Gunter Hampel bläst die Röhren des Vibraphons, Foto: Peng!

Dieses Malheur nutzte Peter Ortmann dann, um einige Fragen an Gunter Hampel zu richten, drei hatte er vorbereitet. Allerdings war schon die erste Antwort dermaßen umfangreich, dass die Pause mehr als gefüllt wurde. Hampel erzählte von den Anfängen des Jazz, der Entwicklung des Schlagzeuges und dem Aufführen von Konzerten mit der neuen Musik in Deutschland. Schon um 1960 herum spielte er im Lübecker Riverboat, und wie sich zeigte, waren schon einige der ZuhörerInnen damals bei den Konzerten anwesend. Er hat sich eben eine treue Gemeinde aufbauen können. Seine Weise, Informationen weiterzugeben, ist eine sehr besondere. Nicht, dass er die Inhalte sehr spannend als Geschichte darstellt, er unterstreicht seine Rede durch eine sehr ausgeprägte Gestik.

Mit Jazzlive aus dem Jahr 1988 begann dann das zweite Set. Während des Konzertes wurde die Titelreihenfolge mal eben umgestellt. Auch in diesem Set wurde eine Komposition von Peter Ortmann, das Niemandland, gespielt. Am Ende des Konzertes gab es Standing Ovations, die Band betrat wieder die Bühne, um die Zugabe zu spielen. Hampel erzählte die Entstehungsgeschichte zu dem Titel Writing to you, einer Komposition, die er seiner in Berlin lebenden Tochter anstatt eines Briefes sandte.

Am liebsten besuche ich Konzerte allein, gelegentlich aber versuche ich auch, FreundInnen zu bewegen, mal das eine oder andere Konzert zu besuchen. Wunderbar, dass ich von der Lübecker Lyrikerin Frauke Krieger begleitet wurde, die spontan zu dem letzten Titel folgendes Gedicht schrieb:

Writing to you – eine Hommage an Gunter Hampel

Gedanken, die blauer als Briefe
und Worte, die leichter als Licht
Töne, die weicher als Wolken
er sah sie in ihrem Gesicht

Klänge erzählten von Liebe
die Flöte erspielte den Sinn
Geschichten entflogen den Noten
die Zartheit der Zeit lag darin

und dann überschlug sich die Stimme
sie drängte, sie stürmte und stob
sie rief und sie sang und sie lockte
bis sie sich in die Kuppeln erhob

dort füllte sie Räume und Welten
und brach sich im Gitter der Luft
sie fing sich im Spinnweb der Fenster
und perlte und zerstäubte zu Duft

wie Schleier aus klingenden Farben
als Niesel im schillernden Hall
so rieselten tausende Stimmen
sanft taumelnde Federn aus Schall

F. Krieger / November 2016

Es sind immer wieder kleine Glücksmomente, wenn Musik die Zuhörer nicht nur erreicht, sondern weitere Kunst entstehen lässt! 


Fotos: (c) Peng!


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