Zweierlei Romantik im siebenten Konzert der Lübecker Philharmoniker

Felix Mendelssohn Bartholdy und Gustav Mahler stehen für den Aufbruch und das Ende der Romantik. Ihr hatte Ryusuke Numajiri sich im siebenten Saisonkonzert (17. und 18. April 2016) zu nähern vorgenommen. Dazu wählten er und die Lübecker Philharmoniker das hoch angesehene Violinkonzert e-Moll Mendelssohns und die wirkungsvolle vierte Sinfonie von Mahler.

Im Violinkonzert stand vor allem Tobias Feldmann im Fokus, der Solist. Jung ist er, 1991 geboren, dennoch zeichnet sein Spiel eine große innere Ruhe und ein besonnener, nahezu abgeklärter Gestaltungswille aus. Als mehrfacher Preisträger hatte er zudem mit seiner Leihgabe der Deutschen Stiftung Musikleben ein ganz besonderes Instrument, eine 1703 in Cremona gebaute Violine von Antonius Stradivari. Seit fast 10 Jahren spielt Feldmann sie. Ihr Ton ist wenig direkt, eher verhalten und reserviert als farbig, edel zu seiner Interpretation passend. Und auch Numajiri hielt das Orchester im Klang zurück. Das gelang zumeist, obwohl sich in Forteschlägen unnötige Starre ergab. Erfreulich gut reagierte das Orchester auf die feinsinnige Tempogestaltung des Solisten und wurde zu einem achtbaren, kammermusikalisch agierenden Partner. Feldmann hatte so ein gutes Fundament für seinen überzeugenden Auftritt mit diesem romantischen Juwel. Der lange Beifall brachte eine Zugabe. In der artistischen Tremolo-Etüde, einer Komposition des spanischen Gitarristen Francisco Tárrega (1852- 1909) mit dem Titel „Recuerdos de la Alhambra (Erinnerungen an die Alhambra)“ (Bearbeitung von Ruggiero Ricci) zeigte er trotz einiger Trübungen noch einmal sein beachtliches Können.

Nach der Pause folgte dann die groß angelegte Sinfonie, in der Mahler eine weit gespannte seelische Landschaft entfaltet. Ihre Grundstimmung ist zunächst diesseitig, wird zunehmend kontemplativ und singt im letzten Satz das vom Mezzosopran angestimmte Loblied auf „Das himmlische Leben“. Nicht alles lief hier überzeugend. Numajiri wollte wohl gleich von Beginn an die gesangliche Seite hervorheben und dirigierte ohne Taktstock. Nur mit den Händen ließ sich das Vielschichtige von Mahlers Kompositionsweise allerdings nicht präzise formen, allenfalls das Tempo bestimmen. Der Dirigent schien eher in der Musik zu leben, teils mit grotesken tänzerischen Bewegungen (2. Satz), als sie vom Pult her zu gestalten. Doch das Orchester war (hier wird der Eindruck vom zweiten Konzert am Montag wiedergegeben) äußerst konzentriert bei der Sache und erreichte im Tutti und in vielen, vielen Soloeinsätzen eine imponierende Fülle, die sich im Gesang des letzten Satzes abrundete. Wioletta Hebrowska fand hier mit ihrem farbigen Timbre eine himmlische Ruhe, die sich trotz der ungünstigen Akustik des Raumes mitteilte.  

Fotos: (c) Olaf Malzahn

Arndt Voß
Aufgewachsen in Neumünster, in Lübeck seit 1959. Studium in Kiel und Hamburg (Musik- und Literaturwissenschaft). Ständige Mitarbeit an den Lübeckischen Blättern von 1974 bis 2014, Berichte und Kritiken darüber hinaus in einigen anderen Organen. Schwerpunktthemen: Musiktheater, Schauspiel, Konzerte.

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