Chris Robinson Brotherhood

Musikalisches Quartett 2017

In jedem Jahr werden unzählige Musikalben veröffentlicht. Manche gehen an einem vorbei oder schlichtweg unter. Manche hinterlassen ihre Spuren. Vier Beispiele für die zweite Möglichkeit möchte ich hier präsentieren.

Wichtig ist mir hierbei, dass es keine Platzierungen, sondern Nummerierungen gibt, denn jedes Album hat sich seinen eigenen, ersten Platz verdient.

#eins – selbstbewusst: Sven Bünger: „Nie zu spät für eine glückliche Kindheit“
Sven Bünger blickt auf ein großes Portfolio an musikalischen Erfahrungen zurück. Geboren in Ratekau begann er mit vierzehn Jahren Musik zu machen und legte sich als Dorfpunk vermutlich zu dieser Zeit sein jetziges Selbstbewusstsein zu.

Foto: Sven BüngerFoto: Sven BüngerNach seinem Abitur komponierte Bünger Songs und gründete seine erste Band Baal. In den 90er Jahren begleitete er die Band Cultured Pearls. Die Zusammenarbeit funktionierte auch andersherum sehr gut. Die Sängerin der Gruppe Astrid North unterstützte Bünger mit seiner Band Soulounge auf seinen Alben und Konzerten. Dem großartigen Funk- und Soulprojekt liehen weitere, heute sehr bekannte Künstler wie Roger Cicero und Johannes Oerding ihre Stimme. Diese Kollaborationen trugen offensichtlich weitere Früchte, denn der Ratekauer produzierte nun auch Alben für Johannes Oerding und Ulrich Tukur, Madsen und Yvonne Catterfeld.

Er selbst vernachlässigte seine eigene Karriere etwas und wurde von anderen Musikern darin bestärkt, seine Songs doch lieber selbst zu singen. So brachte er 2013 sein erstes Soloalbum heraus. Dem folgt nun „Nie zu spät für eine glückliche Kindheit“. Auch bei dem aktuellen Album haben wiederum bekannte Namen mitgewirkt. Ingo Pohlmann schrieb an dem Song „Endzeitprophet“ mit; für die Produktion holte sich Bünger den Erfolgsproduzenten Tobias Levin ins Boot.

Kommen wir zurück zu Bünger: Der Sänger tut gut daran, den Songs seine eigene, rauchige Stimme zu verleihen. Was Sven Bünger hier präsentiert, ist rotzig, rockig und authentisch. Die deutschen Texte sind gesellschaftskritisch („Finde den Fehler“), aber auch emotional („Nein heißt nein“) und regen zum Nachdenken an. Sven Bünger muss niemandem, sich eingeschlossen, etwas vormachen, wenn er anderen den Spiegel vorhält. „Ich brauche nichts, außer mich … Der Rest ist Kür.“ Dem ist nichts hinzuzufügen.

Sven Bünger: Nie zu spät für eine glückliche Kindheit, Chef Records Ratekau (Edel), September 2017, Amazon

#zwei – retroaktiv: Chris Robinson Brotherhood „Barefoot in the head“
Ein unbeschriebenes Blatt in puncto Musik ist Chris Robinson ebenfalls nicht. Robinson war der Leadsänger der Black Crowes, die u. a. mit ihren Alben „Shake your moneymaker“ und “The southern hamony and musical companion“ sehr erfolgreich waren. Nachdem sich die Band 2011 vorerst auflöste, gründete Robinson das Projekt Chris Robinson Brotherhood.
Der große kommerzielle Erfolg blieb bisher aus. Leider zu Unrecht. Das bereits sechste Werk ist im Juli veröffentlicht worden.

Bezeichnend für die elf Songs ist die Mixtur aus melodiösen Stücken, die vorrangig von Gitarrre, Steelguitar und Klavier begleitet werden, den Sound der 70er Jahre wieder aufleben lassen und an deren Ikonen, wie Lynyrd Skynrd, Creedence Clearwater Revival, America oder Fleetwod Mac erinnern. Dennoch sind die fünf Musiker keine Coverband, sondern verleihen dem Sound ihre eigene Marke. Die modernen digitalen Möglichkeiten der Produktion untermauern dies. Favorit: „Blonde light of day“, eine getragene Ballade mit einem melancholischen Touch. Da sieht man sich bereits am Lagerfeuer sitzend den Sonnenaufgang beobachten. Einfach entspannt zuhören ist hier angesagt.

Chris Robinson Brotherhood: Barefoot in the head, Megaforce (H'Art), Juli 2017, Amazon

#3 – zuversichtlich: Hazel English „Just give in /Never give up”
Das erste musikalische Kapitel von Hazel English muss noch geschrieben werden, ist aber bereits in Arbeit. Die in Sydney geborene Australierin verliebte sich während des Studiums in den USA in die Musikszene von Oakland/Kalifornien und zog daraufhin dort hin. Die Geschichte des so gestarteten Abenteuers und ihre damit verbundenen Ängste verarbeitete sie in den beiden EPs, die hier zusammengefasst auf einem Album erschienen sind.



Ihre Vorliebe für den Vintagelook überträgt sich scheinbar auch auf ihre Musik. Diese ist geprägt durch den Sound der 80er Jahre. Synthesizer und minimalistische Drums verbinden sich mit ihrer klaren Stimme. Hazel English ist noch ganz am Anfang ihrer Karriere, sie legt viel Wert auf die Meinung ihrer Hörer und plant zunächst weitere Konzerte in den USA, aber auch in ihrem Heimatland Australien. Sie wird hoffentlich noch viel von sich und ihrem Abenteuer hören lassen. Unbedingt hören: „Make it better“. Wunderbar rund und schlicht schön.

Hazel English: Just give in/Never give up, Marathon Artists (Rough Trade), Mai 2017, Amazon

#4 – weltumspannend: Rey & Kjavik „Rkadash“
Nachdem der Frankfurter DJ und Produzent mehrere EPs veröffentlicht hat, folgt nun das erste komplette Album. Rej & Kavik möchte den Hörer auf seiner Reise mitnehmen, auf die er sich 2015 vorbereitet hatte. Gedanklich in den USA auf dem Burning Man Festival gestartet, verfestigte sich seine Idee, die er als Prozess bezeichnet, für „Rkadash“. Auf seiner Reise während dieses Prozesses machte er Station in Städten wie Tiflis, San Francisco, New York, Bogotá oder Singapur, deren musikalische Impulse in das Projekt einflossen. Die finale Station manifestierte sich in Istanbul.

Herausgekommen ist eine emotionale und sehr gelungene Mischung aus orientalischen Gesängen, Worldmusic und stampfenden, gleichmäßigen Beats. Das Album strahlt eine gewisse Ehrfurcht aus und lässt innehalten in dem Gedanken, wie wichtig die Verbindung und der Zusammenhalt der Kulturen gerade in der heutigen Zeit sind. Die Musik könnte ein Anfang dafür sein. Favoriten: „Baba city“ und „Saraswati master“. Zitat: „Eine knüppelharte Bassline und super Breaks, das kapiert jeder. Aber mit einer Musik, die die Gäste in solch einem Kontext überhaupt nicht kennen, auf eine emotionale Reise zu gehen, das ist für mich ein anderer Anspruch.“ Lassen Sie sich auf die Reise ein. Es lohnt sich.

Rey & Kjavik: Rkadash, Katermukke (Alive), Juli 2017, Amazon

Sabine Vierus
Sabine Vierus
Gebürtige Lübeckerin (1971), seit 2016 die Landeshauptstadt Kiel als neue Heimat gewählt. Ausgeprägte Leidenschaft für Musik seit sie laufen kann. Das umfangreiche Musikwissen hat sie als Kauffrau über zwanzig Jahre im CD-Vertrieb an ihre Kunden weitergegeben. In der Freizeit oft mit der Kamera unterwegs; schreibt einen eigenen Blog. Schwerpunktthemen für "unser Lübeck": Musik- und Konzertrezensionen.

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