Marco Beasley, Private Musicke & Pierre Pitzl „Meraviglia d’amore“
Im Labyrinth der Liebe

Seine Art zu singen ist außergewöhnlich. Anders als die meisten Tenöre verleiht Marco Beasley seiner Stimme einen unverwechselbar natürlichen Klang, wie es bis zur Zeit des Frühbarock üblich war. Auf dem Album „Meraviglia d’amore“ erweckt er das Wunder der Liebe in all seinen Facetten zum Leben.

Südländisches Temperament, Verführungskraft und emotionale Tiefe strahlen die italienischen Liebeslieder aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts aus. Typischerweise werden sie im Freien gesungen und folgen eingängigen Melodien, damit die Angebetete das Ständchen nicht so schnell vergisst. Die Stimmung ist mal pulsierend, mal reflektierend. Das lyrische Ich fiebert mit Hoffnung und feuriger Erwartung der Erfüllung seiner innigsten Wünsche entgegen oder versinkt in Verzweiflung, Kummer und Schmerz angesichts seines aussichtslosen Begehrens. Im Frühbarock entwickelte sich dieser leidenschaftliche Sologesang in Abgrenzung zum mehrstimmigen Kirchengesang und spiegelte den Drang zur Selbstdarstellung wider.

Marco Beasley, Foto: (c) Dries LuytenMarco Beasley, Foto: (c) Dries LuytenDa der Italiener Marco Beasley nicht nur Tenor, sondern auch Musikhistoriker ist, besitzt er ein beeindruckendes Gespür für die Feinheiten dieser Musik. Er liebt theatralische Gesten, das zeigen seine Live-Auftritte. Jedoch bleiben seine Darbietungen immer authentisch, vor allem seine Stimme. Sie ist hell, klar, weich und von großer Lebendigkeit, während er die Texte mit deutlicher Artikulation und viel Gefühl interpretiert. Es ist dieser natürliche Klang, der den Reiz seines Gesangs ausmacht. Als käme er gerade aus einem Garten des frühen 17. Jahrhunderts, der den Gefühlsreigen der Liebe, dessen Höhen und Tiefen, so wunderbar symbolisiert: Der zart betörende Duft von Oleander, der aus großen Terrakotta-Töpfen emporwächst; das mediterrane Flirren in der Luft und die heiße Sonne auf der Haut; die sanft plätschernden Wasserspiele und der angenehm schattige Weg unter der schutzspendenden Pergola; doch auch das Labyrinth, in dem der Liebende umherirrt, bevor er womöglich auf die verwunschene Grotte trifft, die für Abgrund und Unterwelt steht.

Begleitet wird der Sänger von Pierre Pitzl, einem erfahrenen Barockgitarristen. Sein akzentuiert akkordisches Spiel unterstreicht Beasleys selbstbewussten Vortrag. Anders als die von Streichern getragenen Arien, die in der klassischen Musik so oft zu hören sind, wirken die Balladen hier erfrischend souverän und nonchalant. Pierre Pitzl, Foto (c): Michal NovakPierre Pitzl, Foto (c): Michal NovakEin prägnantes Beispiel ist das Titellied „Meraviglia d’amore“. Temperamentvoller wird es in „Alma Mia“, sehnsüchtig in „Cinta di rose“ und dramatisch in „O del cielo d’Amor“. Die Instrumentalstücke zwischen den Liedern übernimmt Pitzls Ensemble Private Musicke, das neben Gitarre und Cello auch die zeittypischen Instrumente Laute und Viola da Gamba hören lässt. Alle Musiker sind renommierte Experten für Renaissance- und Barockmusik, was der ausgewogen dynamische Klang der Aufnahme beweist. Verträumte, filigrane Kompositionen wechseln mit schnellen, verspielten Arrangements, darunter Gitarrensoli mit spanischen Rhythmen.

Insgesamt ist das Album eine sehr gelungene, authentische und mitreißende Interpretation des Repertoires. Gerade der Alten Musik wird oft nachgesagt, sie habe einen ausgleichenden und entspannenden Effekt, wenn sie historisch informiert dargeboten wird. Lässt man „Meraviglia d’amore“ auf sich wirken, muss man zugeben: Es ist nicht nur eine bewegende Zeitreise durch die Welt der Liebe, sondern auch Urlaub von der stressigen Neuzeit.

Marco Beasley, Private Musicke & Pierre Pitzl: Meraviglia d’amore, Accent, 05. Mai 2017, Amazon 

Video zum Titellied „Meraviglia d’amore“: www.youtube.com

 

Jennifer Balthasar
Jennifer Balthasar
Publizistin M.A., Magisterstudium der Publizistik, Psychologie und Soziologie an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Freiberuflich tätig in den Bereichen Journalismus, Öffentlichkeitsarbeit und Unternehmenskommunikation. Ihre Schwerpunkte bei „unser Lübeck“ sind moderne Klaviermusik, Alte Musik, Weltmusik und Crossovers sowie gesellschaftsbezogene Literatur, klassischer und moderner Tanz.

Sie haben keine Berechtigung hier einen Kommentar zu schreiben.