Christoph Hein
„Glückskind mit Vater“

Christoph Hein, geboren 1944 in Heinzendorf/Schlesien, aufgewachsen in Bad Düben/Sachsen, jetzt in Berlin lebend, ist bekannt als politisch engagierter und zeitkritischer Autor. Das spiegelt sein neuester Roman „Glückskind mit Vater“ emotional gezeichnet, geschichtsbewusst und persönlich positionierend wider.

Er beschreibt den Lebensweg eines Mannes, der die Last der Schuld seines Vater tragen muss, ohne dass er ihn persönlich kennenlernen konnte, ohne dass er fragen konnte, warum sein Vater, der ein erfolgreicher Mittelstandsunternehmer war, zum engen Handlanger Hitlers werden konnte.

Konstantin Boggosch wird geboren, als der Krieg gerade zu Ende gegangen ist. Sein Vater wird vom Kriegstribunal in Polen zeitgleich hingerichtet. Die Mutter lebt weiter in der Kleinstadt der ehemals im Familienbesitz befindlichen Vulkanowerke in der sowjetisch besetzten Zone und erlebt den Absturz von unbekümmertem Reichtum und Sicherheit zu Ausgrenzung und Existenzangst. Sie trägt alles mit klagloser Stummheit, die diplomierte Fremdsprachenlehrerin verdient sich ihren Unterhalt als Putzfrau, verschweigt aber auch den Kindern die Verbrechen ihres Mannes. Erst als Teenager erfahren Konstantin und sein größerer Bruder das Ausmaß der Verbrechen des Vaters. Als Kinder der Täter nationalsozialistischer Verbrechen werden sie diskriminiert und isoliert. Das führt dazu, dass Konstantin die DDR als 14-Jähriger mit dem Ziel verlässt, als Fremdenlegionär in Frankreich anzuheuern.

Der Weg ist steinig, bringt ihm aber die Begegnung mit echten Freunden und die Chance auf einen adäquaten Schulabschluss, der ihm in der DDR verweigert wurde. Wie viel schmerzlicher ist es, als er erfahren muss, dass sein Vater seine Freunde, die im französischen Widerstand gekämpft haben, gequält und gefoltert hat. Erneut flieht er vor seiner Familiengeschichte, und das um den 13.8.1961! Aus Sorge um seine Mutter geht er freiwillig zurück in die DDR. In einer anderen Stadt will er neu beginnen. Aber die Akteneinträge in seinen Unterlagen verhindern jedes Weiterkommen. Sein gesamtes Berufsleben bis in die 1990er Jahre weist ihm emotionale Schuld aus der Zeit der Naziherrschaft zu.

Dieses Buch zeigt in spannender aber auch sensibler Weise die Last familiärer Verantwortung auf. Bisher viel zu wenig wurden diese „unschuldigen Kinder“ begleitet und geschützt. Christoph Hein gelingt mit seinem neusten Werk eine beeindruckende Bewältigung dieser Last und setzt Anstöße nach außen zur Vergebungsbereitschaft.

Christoph Hein: Glückskind mit Vater, Suhrkamp, 6. März 2017, 525 Seiten

Das Buch ist in den inhabergeführten Buchhandlungen Buchfink, Arno Adler, Langenkamp, maKULaTUR, Buchstabe und auf Amazon erhältlich.


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