Andreas Föhr
"Eisenberg"

Justitia ist die Personifikation der Gerechtigkeit. In der Vergangenheit wurde sie auch als strafende, rächende Gerechtigkeit gedeutet. In Kunst und Literatur steht sie als Sinnbild des Rechtswesens. Die Justiz – Rechtsanwalt, Staatsanwalt, Schöffen und Richter – ist ein hochkomplexer Apparat unseres Rechtssystems. Doch letztlich ist sie kein perfektes Instrument gegen das Unrecht. Der Faktor Mensch und dessen unnachahmliches Talent, Fehler zu produzieren, kann für den Angeklagten dramatische Konsequenzen bedeuten.

Der Autor Andreas Föhr hat in seinem neuesten Roman Eisenberg der Justiz eine spannende und packende Bühne gegeben. Doch es menschelt sehr in diesem Justizthriller. Die erfolgreiche Dr. Rachel Eisenberg, Mitbesitzerin einer erfolgreichen Kanzlei in München, übernimmt als Verteidigerin einen hochbrisanten, medienwirksamen Fall. Doch dieser Fall wird schwieriger als gedacht – sie kennt den Angeklagten, der eine junge Frau brutal getötet und verstümmelt haben soll. Nicht nur einmal wird sie sich im Laufe des Falles fragen, ob sie ihrem alten Freund, dem Angeklagten, wirklich trauen kann. Ist der ehemalige Universitätsprofessor unschuldig und damit auf dem besten Weg ein Justizopfer zu werden, oder ist er tatsächlich in der Lage, jemanden kaltblütig zu töten?

Eisenberg ist ein hochkomplexer Thriller, der eine "Waage in den Händen von Justitia" sein könnte. Die Story ist abwechslungsreich und zeigt die Arbeitsgebiete von Staatsanwaltschaft und Verteidigung sehr deutlich. Doch brillant versteht es der Autor dabei, die Geschichte nicht stocknüchtern zu erzählen, sondern gibt durch ein paar gut eingesetzte Nebengeschichten seinen Protagonisten viel Raum, sich frei zu bewegen. Rachel Eisenberg ist eine toughe Anwältin, sie versteht ihren Job als Berufung, aber als Mutter einer pubertären Tochter und dazu noch alleinerziehend hat sie es manchmal nicht leicht. Auch wenn der Fokus stetig auf die Hauptstory gerichtet bleibt, lebt der Roman gerade von seinen in den Nebensträngen der Handlung perfekt inszenierten Charakteren. Hochprofessionell versteht es Andreas Föhr, den Leser spannend zu unterhalten, und bietet Gelegenheit zu vielen Interpretationen und über den weiteren Ausgang der Geschichte und die Motive der Akteure nachzudenken. Irrwege, Sackgassen und Überraschungen sind perfekt eingesetzt.

Auch wenn die Story hochrealistisch zu sein scheint, gibt es leider ein paar unlogische Aspekte in der Schilderung der Ermittlungsarbeit. Der Kriminalpolizei passieren ein paar dilettantische Fehler, die, so vermute ich, in der Realität nicht zu finden sind. Ebenfalls bleiben einige Fragen hinsichtlich des Tathergangs offen – für Vielleser von Thrillern und Krimis sehr offensichtlich und vielleicht sogar etwas ärgerlich. Trotzdem ist Eisenberg ein genialer und faszinierender Pageturner. Dass Andreas Föhr eine juristische Ausbildung eingeschlagen hat und jahrelang als Rechtsanwalt praktizierte, ist eine gute Voraussetzung für seinen besonderen und wichtigen Blick aufs Detail. Der Autor weiß, wovon er schreibt. Ebenso wie sein amerikanischer Kollege John Grisham überzeugt er durch einen Mix von Fakten und Fiktion.

Fazit: Eisenberg gehört mit zu den stärksten Justizthrillern der deutschen Belletristik im ersten Halbjahr 2016. Andreas Föhr bietet mit seinem Roman eine nachhaltige, spannende und einzigartige Story. Ich hoffe, dass diese Reihe schnell fortgesetzt wird.

Andreas Föhr: Eisenberg, Knaur, 512 Seiten, Juni 2016

Das Buch ist in den inhabergeführten Buchhandlungen 
BuchfinkArno AdlerLangenkampmaKULaTUR und Buchstabe erhältlich.


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