"Hieronymus Bosch. Das vollständige Werk"
Gigant der Fantasie - Der Bilderkosmos des niederländischen Alptraummalers zum 500.Todestag

1516 verstarb der Maler Hieronymus Bosch, den viele für einen Ketzer, andere wiederum für einen Moralisten und strengen Christen hielten. Selbst nach 500 Jahren rätseln viele Kunstkritiker noch immer über diesen geheimnisvollen niederländischen Künstler mit seiner ausufernden Fantasie, dessen detailreichen und förmlich überbordenden Gemälde auch nach einem halben Jahrtausend nichts an ihrer Faszination verloren haben.

Der Taschenverlag hat anlässlich des Jubiläums seine großartige Gesamtausgabe der Werke des Künstlers, die ursprünglich für 99 Euro im Handel erhältlich war, jetzt in einer Sonderedition für 29.90 Euro herausgebracht. Diese Monografie präsentiert sämtliche Bosch-Werke in ganzseitigen Reproduktionen und zahlreichen Detailvergrößerungen, die die erstaunliche kompositorische Bandbreite des Künstlers und viele verborgene Details sichtbar werden lassen: Engel, die sich in Insekten und fliegende Echsen verwandeln. Dämonen, halb Mensch, halb Tier. Ein Fisch, der in die Hölle wandert, in der nackte Menschen von Teufeln zu Tode gequält werden.

Egal, ob Darstellungen von Himmel, Hölle oder Heiligen – nach wie vor stellt Bosch mit seinen von grotesken Kreaturen, Fabelwesen und Monstern bevölkerten Bildern den Betrachter vor Rätsel. Ein Abenteuer für das Auge sind sie, wobei man trotz stundenlanger Besichtigung immer noch wieder kleinste, verstörende Details entdecken kann. Seine Werke verblüffen, verzaubern oder lassen einen schaudern bis zum blanken Entsetzen. Der Anblick der Sünder und ihrer Qualen nach dem Jüngsten Gericht sollte nicht nur empfindlichen Seelen einen Schauer über den Rücken laufen lassen.

Hieronymus Bosch, der an der Schwelle vom Spätmittelalter zur Renaissance stand und zu dessen Zeitgenossen Leonardo da Vinci, Hans Memling und Christoph Columbus gehörten, wird als Malergenie schon seit Hunderten von Jahren gefeiert und in den größten Museen dieser Welt ausgestellt, aber auch als Moralist und Satansanbeter beschimpft. Dabei waren seine Auftraggeber angesehene Bürger und Kirchenfürsten seiner Zeit, die seine revolutionäre und phantasmagorische Bildsprache schätzten, denn seine Themen waren meist Verlockung, Sünde und Buße. Und selbst Dürer staunte, dass dergleichen nie zuvor gesehen noch erdacht wurde.

Für die heutige Zeit ergeben sich trotzdem immer noch genug Anlässe für Forschung und Ausstellung: Denn die einen sehen in Bosch einen Vorläufer der Hippies, der seine Visionen Experimenten mit Drogen zu verdanken hat. Für andere ist er der erste Surrealist, dem selbst Dalí nicht das Wasser reichen kann. Wieder andere halten ihn für einen kirchenfeindlichen Ketzer, der schon um 1500 die freie Liebe predigte, wie vielleicht besonders in der Mitteltafel seines berüchtigten Triptychons Garten der Lüste zu sehen sei. Diesem Werk widmet sich das wundervolle Buch, das unter der fachkundlichen Anleitung des Kunsthistorikers und Bosch-Experten Stefan Fischer entstanden ist, besonders viel Aufmerksamkeit.

Das wohl berühmteste Werk des niederländischen Künstlers entstand um 1503, wurde höchstwahrscheinlich anlässlich der Hochzeit von Heinrich III. (Nassau-Breda) gemalt und sollte als eine Art Hochzeits- und Ehespiegel fungieren, also als Anleitung für das Gelingen dieses Liebesbündnisses und als Übersicht für seine Vorteile und Gefahren. Ausführlich wird das Dreier-Gemälde als Doppelseite und in diversen Detailaufnahmen dokumentiert und vielschichtig im Text analysiert und interpretiert. Und selbst der Einband des großformatigen Leinenbandes zeigt den berühmten Lebensbrunnen aus dem Mittelteil des Triptychons. Neben der opulenten Aufmachung glänzt das Buch auch noch durch ein reichhaltiges Werk an Federzeichnungen, einen ausführlichen Theorie- und Textteil sowie diverse Quellenangaben zu Leben und Werk des Künstlers.

Wer die Bilder von Hieronymus Bosch nicht nur in Buchform betrachten möchte, sondern sich mal selbst ein eigenes Bild von der Großartigkeit und der Detailverliebtheit dieses einzigartigen Fantasten machen möchte, dem kann ich einen Besuch in der Ausstellung in seinem Geburtsort 's-Hertogenbosch empfehlen. Dort läuft noch bis zum 8. Mai 2016 die größte jemals gezeigte Schau aller Zeiten, die sich in absehbarer Zukunft nicht wiederholen wird. Anlass ist der 500. Todestag von Hieronymus Bosch. Sogar das holländische Königspaar ließ sich in die Heimatstadt des Renaissance-Künstlers locken. Neben der Ausstellung von 20 Gemälden – Holztafeln und Triptychen – und 19 Zeichnungen, die als Leihgaben aus den wichtigsten Museen der Welt, wie z. B. aus Paris, Madrid, Venedig oder Washington, stammen, runden Konzerte, Festivals, Tanz-, Theater- und Zirkusveranstaltungen die Feierlichkeiten des Festjahres ab.

Jheronimus Bosch 500 – Het Nordbrabants Museum, 's-Hertogenbosch, täglich 9-19 Uhr, Tickets 22 Euro, Vorverkauf unter: www.bosch500.nl

Stefan Fischer: Hieronymus Bosch. Das vollständige Werk, Auflage 2016, 300 Seiten mit Aufklappseiten und Leinen-Einband, Taschen-Verlag Köln.

Das Buch ist u.a. in den inhabergeführten Lübecker Buchhandlungen 
BuchfinkArno AdlerLangenkamp und maKULaTUR erhältlich.

Holger Kistenmacher
Holger Kistenmacher
Jahrgang 1956, freischaffender Journalist seit gut 25 Jahren, studierter Realschullehrer, praktizierender psychosozialer Betreuer, ambitionierter Fotograf und Kulturschreiber mit den Fachgebieten: Moderne Gegenwartskunst, Literatur, Musik zwischen Jazz und Rock, Nordische Filme, Moderner Tanz. Weltenbummler und Reisejournalist.

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