Foto: Ulrich Perrey

Venedig. Stadt der Künstler - Ausstellung im Bucerius Kunst Forum Hamburg

Das Bucerius Kunst Forum in Hamburg präsentiert bis zum 15. Januar 2017 eine grandiose Venedig-Ausstellung. Die Architektur Venedigs, der Canal Grande, die Basilica San Marco und die Piazza San Marco, der Palazzo Ducale sowie Prozessionen und Staatszeremonien, Gondeln, der Karneval und Volksfeste faszinierten Maler von der Renaissance bis in die Gegenwart.

Ihr Blick auf die Stadt und ihre Bilder von Venedig prägten einen Mythos, der sich bis heute erhalten hat. Wie die Lagunenstadt Künstler inspirierte und verzauberte, zeigt jetzt die aktuelle Hamburger Ausstellung: Sie ist eine künstlerische Rezeptionsgeschichte, eine Huldigung an Venedig. Im Mittelpunkt der Schau im Bucerius Kunst Forum stehen rund einhundert Exponate aus fünf Jahrhunderten: Zeichnungen, Drucke und historische Fotografien, Gemälde von Giovanni Antonio Canal, genannt Canaletto, Giambattista Tiepolo, William Turner, John Ruskin, Claude Monet, Wassily Kandinsky und Gerhard Richter sowie eine Installation von Martin Kippenberger und Fotokunst von Candida Höfer und Thomas Struth.

Sie belegen nicht nur die Faszination dieser Stadt, sondern auch den Aufstieg und Niedergang Venedigs. La Serenissima – die Durchlauchtigste – gehörte als Republik Venedig über Jahrhunderte zu den wichtigsten politischen und wirtschaftlichen Mächten in Europa – bis der französische Kaiser Napoleon I. mit seinen Truppen die Lagunenstadt eroberte. Die Republik Venedig war passé. Nach der Plünderung übergab Napoleon Venedig an die Österreicher, welche sie bis 1866 in das Habsburgerreich integrierten. Danach wurde Venedig Teil des neuen italienischen Königreichs und Hauptstadt der Provinz Veneto.

Canaletto: Markusplatz mit DogenpalastCanaletto: Markusplatz mit Dogenpalast

Der politische und kulturelle Niedergang der Stadt bedeutete paradoxerweise für die Malerei eine neue Blütezeit. Englische, später französische und deutsche Künstler entdeckten Venedig als Bildmotiv und ließen sich von der morbiden Schönheit, den Farben und dem Licht, dem Himmel über der Lagune inspirieren. Der englische Maler William Turner gehörte im 19. Jahrhundert zu den ersten Künstlern, die Venedig besuchten. Seine Bilder, unter anderem Venedig, die Seufzerbrücke, 1840, und Venedig, Santa Maria della Salute, 1844, sind in der Ausstellung zu bewundern. Farben und Licht bestimmen Turners Kompositionen, Konturen von Architektur und Booten lösen sich auf oder verschwinden in diffusem Nebel. Sein revolutionärer Malstil – von seinen Zeitgenossen abgelehnt – sollte jedoch nachfolgende Künstlergenerationen beeinflussen: die Impressionisten und Expressionisten.

Von dem französischen Impressionisten Claude Monet, der 1908 während seines zweimonatigen Venedig-Aufenthaltes 37 Bilder malte, sind San Giorgio Maggiore, 1908, und Der Palazzo Ducale, 1908, ausgestellt: Die Farbpalette ist reduziert, Himmel und Licht, sich im Wasser spiegelnde Architekturelemente verschmelzen zu einer atmosphärischen Einheit.

Konträr dazu der russische Maler Wassily Kandinsky, als wichtiger Vertreter des deutschen Expressionismus. In intensiven Farben und kräftigem Pinselduktus komponiert er den venezianischen Himmel, die Lichtspiegelungen auf dem Wasser, Gondeln und Stadtarchitektur: Erinnerungen an Venedig 3 (Kanal), 1904, sowie Erinnerung an Venedig 4 (Rialtobrücke), 1904.

Wassily Kandinsky: Erinnerung an Venedig 4 (Rialto Brücke)Wassily Kandinsky: Erinnerung an Venedig 4 (Rialto Brücke)

Eine völlig andere Wahrnehmung der Stadt hatte der in Erfurt geborene Friedrich Nerly, welcher seit 1837 dauerhaft in Venedig lebte und als Maler überaus erfolgreich war. Seine pittoresken, in altmeisterlichem Stil gemalten Stadtpanoramen sowie Architekturmotive, Kanäle, Plätze und Gondoliere fordern zur intensiven Betrachtung heraus: Venezianischer Gondoliere vor Stadtansicht, 1860, oder Piazetta in Venedig bei Mondschein, 1842.

Erwähnenswert sind die historischen Architekturfotografien von John Ruskin und John Hobbs, welche in den 1850er Jahren unter dem Titel Steine von Venedig veröffentlicht wurden. Sie dokumentieren den Verfall von byzantinisch-gotischen Kirchen und Palästen, von Kapitellen, Gesimsen und Fenstern. Zeitgenössische Fotokünstler wie Candida Höfer und Thomas Struth greifen das Thema Architekturfotografie wieder auf. Charakteristisch für Höfers menschenleere Bildkompositionen sind die perfekte Inszenierung des Innenraumes, die kühle Ästhetik, die Symmetrie von Architektur und Interieur sowie ihre Vorliebe für die Zentralperspektive: Teatro La Fenice di Venezia II, 2011, und Biblioteca Nazionale Marciana Venezia IV, 2003. Bei Thomas Struths San Zaccaria, Venedig, 1995, ist dagegen der Innenraum der Kirche mit Touristen und Gläubigen gefüllt, die entweder auf den Kirchenbänken ins Gebet versunken sind oder Giovanni Bellinis Altarbild und die religiösen Wandgemälde bewundern.

Friedrich Nerly: Venezianischer Gondoliere vor StadtansichtFriedrich Nerly: Venezianischer Gondoliere vor Stadtansicht

Aber woher kommt der Mythos Venedigs? Einer Stadt, die heute gegen Massentourismus und Kreuzfahrtschiffe kämpft, deren Stadtbild geprägt ist von verfallenen Häusern und stinkenden Kanälen? Bereits um 1500 zeigen venezianische Gemälde Darstellungen von Prozessionen und Staatszeremonien vor einer realistischen Stadtkulisse. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts sind es dann repräsentative Stadtansichten – Veduten – vom Canal Grande, der Basilica San Marco und der Piazza San Marco, des Ponte di Rialto und dem Palazzo Ducale, welche die Prachtarchitektur Venedigs verherrlichen. Neben diesen Stadtbildern haben Darstellungen der venezianischen Gesellschaft mit ihren Festivitäten, dem Karneval, Theateraufführungen, Gondel-Regatten, zum Mythos beitragen. Ein weiterer Aspekt für die Anziehungskraft der Lagunenstadt mag die Gründung der Biennale, der ersten Weltausstellung der Kunst, im Jahr 1895 sein.

Die Ausstellung Venedig. Stadt der Künstler beeindruckt mit hochkarätigen Leihgaben aus internationalen Sammlungen wie dem Museo Correr, Venedig, der Fondazione Giorgio Cini, Venedig, der Tate Galerie, London, dem Centre Pompidou, Paris, dem Rijksmuseum Amsterdam oder dem Städel Museum, Frankfurt.

Der Katalog zur Ausstellung mit Beiträgen von Kathrin Baumstark, Tiziana Bottecchia, Barbara Dayer Gallati, Laura de Rossi, Daria Dittmeyer-Hössl, Martin Gaier und Inés Richter-Musso erscheint im Hirmer Verlag (München, ca. 216 Seiten mit farbigen Abbildungen aller ausgestellten Werke, 29 € in der Ausstellung).

Die überaus sehenswerte, von Inés Richter-Musso, Genua, hervorragend kuratierte Schau ist bis zum 15. Januar 2017 im Bucerius Kunst Forum Hamburg zu besichtigen.


Fotos: Bucerius Kunst Forum


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