Anders Zorn
Ein Jahrhundertgenie in Lübeck

Keine sterile Krankenhaus-Atmosphäre. Stattdessen farbintensive Räumlichkeiten, die den Kunstwerken erst richtig gerecht werden - "Anders" eben. Das Museum Behnhaus zeigt bis zum 15. April 2012 die Sonderaustellung Der schwedische Impressionist Anders Zorn und hofft, jahrzehntelange und ungerechfertigte Missachtung eines großen Künstlers wettzumachen.

Heute würde man von einem Selfmade-Millionär sprechen. Ein junger Mann, der ohne Vater in bescheidenen Verhältnissen in einer ländlichen Region Schwedens aufwächst, schafft es als anerkannter Künstler in die internationale High Society des späten 19. Jahrhunderts. Anders Zorn genoss, wie in der Branche unüblich, bereits zu Lebzeiten einen immensen Erfolg. Mit nicht mal 40 Jahren hatte er unzählige Anhänger in Europa, Russland und den USA, die angesehensten Museen erwarben seine Werke, er war Mitglied einer Vielzahl von Akademien und auch an Auszeichnungen mangelte es ihm nicht. Und dennoch, in Deutschland ist er in Vergessenheit geraten.

Dies ist kein haltbarer Zustand, dachte sich das Behnhaus Drägerhaus und widmet ihm gleich zu Beginn des neuen Jahres eine Sonderaustellung unter dem Titel Der schwedische Impressionist Anders Zorn (1860-1920). In Deutschland ist es die erste Beschäftigung mit dem Schweden seit fast einem Vierteljahrhundert. Gezeigt werden 100 Arbeiten aus allen Schaffensphasen, die einen Einblick in sein thematisches und technisches Gesamtwerk geben, darunter sind nordische Landschaften, Alltagsbeobachtungen aus schwedischen Dörfern und europäischen Metropolen, Porträts und nicht zuletzt seine berühmten Akte in freier Natur. Die Organisatoren haben weder Kosten noch Mühen gescheut, um die Besucher von dem Ausnahmetalent, der zu den bedeutendsten und berühmtesten Künstlern Schwedens zählt, zu überzeugen. Dementsprechend handelt es sich um die umfangreichste und teuerste Ausstellung in Lübeck seit langem. Aber traut man den leuchtenden Augen der Kuratorin, die Kunsthistorikerin Dr. Anna-Carola Krausse und den Worten des Museumsleiters Dr. Alexander Bastek, dann hat es sich auf jeden Fall gelohnt und das Endprodukt ist "so gut, dass es sich lohnt, dafür nach Lübeck zu kommen".

Angesichts der ständigen Sammlung des Museums, die unter anderem Arbeiten des Skandinaviers und "Antizorns", Edvard Munch, wie der Museumsleiter schmunzelt bemerkte, beherbergt, würden die Werke Zorns einen idealen Kontrast bilden. Zudem sind Werke Max Liebermanns vertreten, der bekanntlich eine innige Freundschaft zu dem Impressionisten pflegte.

Anders Zorn, der von Zeitgenossen gerne als "Jahrhundertgenie" betitelt wurde, hat ein erstaunlich umfangreiches Werk hinterlassen. Doch nicht die Quantität überrascht, sondern vor allem die Vielseitigkeit. Zorn, der ursprünglich Bildhauer werden wollte, entdeckte früh sein außergewöhnliches Talent für Aquarelle. Mit sicherem Auge und, wie die Kuratorin so schön sagte, "kolossaler" Technik verlieh er ihnen Anmut und Eleganz. Deutlich wird dies besonders im wiederkehrenden Motiv Wasser, dessen veränderte Oberfläche er gekonnt einfing. Da wundert es nicht, dass "Der Meister der Aquarelle" seinen künstlerischen Durchbruch eben diesen zu verdanken hat. Mit gerade mal 20 Jahren kam sein Werk In Trauer (1880) einem Ritterschlag gleich. Er schmiss das Studium und wurde zum Idol in der Defensive gegen die konservative Akademie. In den Folgejahre befasste er sich außerdem mit dem Thema Akt im Freien, das bei weitem nichts Neues in der Kunst war. Die eigentliche Leistung bestand viel mehr darin, diese von jeder Mythologie loszulösen und die Frauen natürlich darzustellen. Entstanden sind so mit die sinnlichsten Aktdarstellungen der Kunstgeschichte. Stets dem Ruf der Ferne ausgesetzt unternahm er etliche Reisen rund um den Globus.Der Aufenthalt in England 1887 löste schließlich einen Wendepunkt in seiner künstlerischen Entwicklung aus und Zorn begann mit der Ölmalerei. Auch hier bewies er einen Blick für Dramaturgie. Obwohl die Arbeiten oft improvisiert und ausschnitthaft wirken, sind sie doch genau durchkomponiert. Deshalb ist es auch kein Widerspruch zu sagen, dass Anders Zorns Arbeit gleichermaßen entspannt wie hochkonzentriert war.

Seine Werke entstammen keinem philosophischen Hintergrund und sie prangern auch nicht an. Sie sind ehrlich und zugleich künstlerisch raffiniert. Alles was Zorn beabsichtigte war, Mensch und Natur in Einklang zu bringen, zu einer harmonischen Einheit verschmelzen zu lassen. "Zorn saugt auf was ihn umgibt", sagt Frau Krausse und hat zweifellos recht. Anders Zorn, der mit 29 Jahren schon einen Platz in der Pariser Kunstwelt hatte, sich nie der Avantgarde anschloss und sich und seiner Kunst stets treu blieb, ist dennoch oder gerade deswegen in Vergessenheit geraten. Aber nun gilt es, ihn wieder aufleben zu lassen.  

Parallel zur Ausstellung erscheint ein Katalog im Michael Imhof Verlag, Verkaufspreis im Museumsshop: 29,95 EUR

Der schwedische Impressionist Anders Zorn

Ausstellung vom 15. Januar bis zum 15. April 2012
Museum Behnhaus Drägerhaus
Königstraße 9-11, 23552 Lübeck


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