Virgin Mountain, Foto (c) Alamode

Isländisches Kino in Bestform
„Virgin Mountain“ von Dagur Kári

Die Isländer sind hervorragende Geschichtenerzähler – das beweist auch Dagur Kári mit seinem neuen Film Virgin Mountain, welcher international auf große Anerkennung stößt. Kürzlich gewann dieser Film den Publikumspreis sowie den Kirchlichen Preis bei den 57. Nordischen Filmtagen Lübeck. Er wird ab Donnerstag, 12. November 2015 auch im Filmhaus Lübeck gezeigt.

43 Jahre alt, groß, übergewichtig, schüchtern und jungfräulich: Das ist Fúsi. Es ist Winter auf Island, alles ist wie immer. Fúsi lebt noch bei seiner Mutter, aber das ist für ihn normal. Bei der Arbeit in der Gepäckbeförderung am Flughafen ist er eher ein Außenseiter, seine Kollegen machen sich lustig über den dicken Hünen. Fúsi ist ein gutmütiger und introvertierter Mann, der die Hänseleien mit Langmut erträgt. Zuhause vertreibt er sich seine Zeit gern mit nachgestellten Modell-Szenarien aus dem Zweiten Weltkrieg. Seine überschaubare Welt gerät ins Wanken durch zwei weibliche Wesen. Die achtjährige Hera ist einsam in der neuen Nachbarschaft und verbringt nun gern Zeit mit Fúsi, dem etwas ungewöhnlichen Mann von nebenan, der merkwürdiger Weise eine Menge Kampfspielzeug hat, aber keine einzige Barbiepuppe und eine Freundin auch nicht.

Es entwickelt sich eine ungezwungene Spiele-Freundschaft zwischen den beiden, die jedoch vom Vater des Mädchens abrupt beendet wird. Und dann taucht plötzlich Sjöfn in seinem Leben auf. Fúsi lernt die junge Frau beim Line-Dancing kennen. Nicht, dass er sich freiwillig bei diesem Tanzkurs angemeldet hätte, aber seine Mutter und ihr neuer Freund schenkten ihm einen Gutschein. Für einen scheuen Mann wie Fúsi eine echte Herausforderung! Sjöfn und Fúsi nähern sich zögerlich einander an. Zunächst scheint Sjöfn eine lebenslustige, selbstbewusste Frau zu sein, deren Depression jedoch allmählich die anfängliche Romanze sehr belastet. In kleinen Schritten lernt Fúsi, Veränderungen zuzulassen und sich selber damit die Gelegenheit zu geben, sein Leben vorsichtig zu verändern.
 

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Filmszene aus Virgin Mountain, Foto (c) Alamode


Wer sich von den üblichen Erwartungen an einen romantischen Beziehungsfilm lösen kann, wird an diesem Film seine große Freude haben. Die ruhige Erzählweise der Handlung konzentriert sich voll auf den unerfahrenen, beinahe sogar kindlichen Fúsi, der zwar etwas merkwürdig wirkt, aber ein Mensch mit dem Herzen am richtigen Fleck ist. Hauptdarsteller Gunnar Jónsson versteht es, seine Figur trotz der Leibesfülle unglaublich zart wirken zu lassen. Isländische Filme sind hinsichtlich der Farbigkeit oft ziemlich grau. Ohne Stilmittel der visuellen Überhöhung ermöglicht auch dieser Film, sich auf die einfühlsame Poesie der Geschichte einzulassen. In Virgin Mountain sind es die sanften Gesten und Momente beseelter Innigkeit, die besonders berühren.
 
Virgin Mountain gewann international Beachtung, unter anderem den Hauptpreis auf dem Tribeca Film Festival. Bei den diesjährigen Nordischen Filmtagen Lübeck erhielt der Film den Publikumspreis und den Kirchlichen Filmpreis. Virgin Mountain hat am 12. November 2015 Kinopremiere in den deutschen Kinos.
 
Virgin Mountain/Fúsi/Virgin Mountain
Island 2015, 94 Min.
Regie: Dagur Kári
Darsteller: Gunnar Jónsson (Fúsi), Ilmur Kristjánsdóttir (Sjöfn), Sigurjón Kjartansson (Mutter)


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