Andy Warhol in Lübeck, 1980

Andy Warhol und Lübeck
zum 20. Todestag

Am 22. Februar 1987 verstarb der wohl berühmteste und reichste Künstler seiner Zeit. Die Zeitschrift Forbes führt Andy Warhol auf ihrer Liste der "Dead Celebrities" unter den 13 reichsten, verstorbenen Prominenten. In der Kunstgeschichte hat er einen festen Platz als führender Vertreter der Pop-Art und einer der bedeutendsten Avantgardisten des 20. Jahrhunderts. Dieser Megastar der Kunstwelt wurde am 13. November 1980 mit allen Ehren (Marzipan und Rotspon) im Lübecker Rathaus empfangen.

Dieser Besuch Andy Warhols in Lübeck war für die Zeitgenossen ein erstaunliches Ereignis und auch wir reiben uns noch heute im Rückblick verwundert die Augen, dass dieser Künstler, der in der Weltstadt New York zu Hause war, unser kleines Lübeck besuchte. Uns wird ja jeden Tag in der Lübecker Presse vermittelt, daß wir angeblich in der allerärmsten und der allertiefsten Provinz leben... Nach dem Empfang im Lübecker Rathaus erschien der Künstler zur Eröffnung einer Warhol-Ausstellung in der Galerie Reese, in der u.a. Holstentor-Bilder des Künstlers gezeigt wurden. Während der Ausstellung war Warhol von blitzenden und knipsenden Photographen umringt. Er behauptete sich, indem er mit seiner eigenen Kamera gelassen zurückknipste. In den USA waren es Ausstellungsbesucher gewöhnt, daß sich Andy Warhol während der Einführungsreden einfach einen mitgebrachten Kopfhörer aufsetzte und z.B. Wagners Opern hörte. In Lübeck hatte er die Hörer jedoch abgesetzt.

Galerie Reese Lübeck, 1980Galerie Reese Lübeck, 1980

Immer wiederkehrendes Prinzip bei Warhol ist es, als Ausgangsmaterial ein Bild oder Photo zu nehmen, welches durch Massenreproduktion einem breitem Publikum bereits bekannt ist. Dieses Ausgangsmotiv wird nun durch wenige Umrisslinien ergänzt, koloriert und mittels Siebdrucktechnik auf Leinwand gebracht. Um die Kunst Andy Warhols für sich zu entdecken, reicht es nicht aus, sich eine der minderwertigen Massenreproduktionen, Poster usw. zu kaufen. Man muss sich die Mühe machen und in ein Museum gehen, um die besondere Farbintensität des Siebdrucks zu erleben und festzustellen, daß es sich bei Andy Warhol um einen begnadeten Koloristen handelt. Umso bedauerlicher ist es, daß sich in der Lübecker Kunsthalle St. Annen ein Holstentor-Siebdruck von Warhol befindet, welcher dem Lübecker Publikum nicht dauerhaft gezeigt wird.

Andy Warhol in Lübeck, 1980Andy Warhol in Lübeck, 1980

Bis heute ist die Meinung weit verbreitet, daß es sich bei Warhol um einen kommerziellen Künstler handelte, der sich der Ruhm- und Geldsucht hingegeben hatte und in gleichgültiger, zynischer Weise sein "Kunst-Business" betrieb. Eine kleine Notiz in seinem Tagebuch, nur wenige Tage vor dem Besuch in Lübeck, zeigt einen anderen Warhol, der an den politischen Ereignissen seiner Zeit Anteil nahm: (5.11.80) "Um drei Uhr morgens wachte ich auf und erfuhr die traurige Nachricht, daß Carter Reagan hoffnungslos unterlegen war. Ich hatte Tränen in den Augen. Ich konnte nicht schlafen und nahm ein Valium."

Die zweite Verbindung zwischen Lübeck und Andy Warhol führt in die Welt der Politik. Willy Brandt, den Friedensnobelpreisträger und Ehrenbürger der Stadt Lübeck, portraitierte er im Jahre 1976. Es wäre eine schöne Überraschung, wenn es dem Willy-Brandt-Haus, das Ende diesen Jahres in der Königstrasse in Lübeck seine Tore öffnen wird, gelingen würde, dieses Portrait zu erwerben.

ImageImageLast but not least gibt es seit etwas mehr als 10 Jahren einen weiteren Grund, Lübeck und Andy Warhol in einem Atemzug zu nennen: Lübeck ist 1996 zum Geschäftssitz der Campbell's Germany GmbH geworden. Andy Warhol hatte in den frühen sechziger Jahren die Campbell's Suppendosen als Motiv für seine berühmten Serien benutzt und damit bis heute zu ihrer weltweiten Bekanntheit beigetragen. Die Ware wurde zur Kunst und die Kunst wurde zur Werbung für die Ware. Ursprünglich begann Andy Warhol seine Karriere 1949 als Werbegrafiker und setzte sie dann als Künstler fort, der seine Bild-Motive in der Werbung, in Comic-Heften, Zeitung, Film usw. fand.

Das Revolutionäre der Pop-Künstler in den Sechzigern war, daß sie die Grenze zwischen Kunst und Kommerz aufhoben. "All is pretty." Diese Erweiterung des Kunstbegriffs brach mit den alten Vorstellungen der individuellen Einzigartigkeit des Künstlers, der seine Kunst als geniale Originalschöpfung betrachtete. Warhol erfindet keine neuen Motive, er findet sie schon vor und vervielfältigt sie. "I want to be a machine." Andy Warhol wird bei der Produktion seiner Siebdruck-Serienbilder entgegen seiner Aussage aber nicht zur Maschine. Bei genauer Betrachtung ist keine Bild-Wiederholung wie die andere. Es entsteht vielmehr ein Spannungsfeld zwischen maschinenhafter Reproduktion und menschlich bedingter Ungenauigkeit oder gewollter Variation.

Andy Warhol in Lübeck, 1980Andy Warhol in Lübeck, 1980

Die Gleichheit aller Menschen war für Andy Warhol ein utopisches, aber erstrebenswertes Ziel. Diese sah er nicht im Kommunismus, sondern in der Produktion z.B. von Coca-Cola, Hamburgern oder Cambell's Dosen verwirklicht. Diese Produkte würden den Staatschef oder Unternehmer mit dem Arbeiter oder Bettler auf eine Stufe stellen, da sie erschwinglich seien und jedem gleich schmecken würden, so Warhol. Die Philosophie des Andy Warhol wird von vielen Menschen bis heute als Zynismus oder Unmoral ausgelegt. Ebenso werden die Kritiker nicht verstummen, die Andy Warhol vorwerfen, daß er die Kunst auf das Niveau plattester Unterhaltung herabziehen wollte. Seine Erfolgsgeschichte hält jedenfalls an, auch nach seinem Tod. Seine Bilder erzielen Höchstpreise, viele aktuelle Künstler knüpfen an seinem Werk an und die Pop-Art setzt sich in den Werken der sogenannten Pop-Literaten fort.

Fotos:
1,2,3 und 5 Gerhard König
4 Wikimedia Commons
Zitate von Andy Warhol sind kursiv und in Anführungszeichen gesetzt.


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